Supersonntag: Wittenberg als Wohlfühlstadt

OB-Kandidaten präsentierten sich im KTC

Wittenberg (wg). Acht Männer und eine Frau bewerben sich am 30. März um die politische Führerschaft in Wittenberg. Dass alle Kandidaten die Fähigkeit zur Ausübung des Amtes besitzen, kann bei einigen parteilosen Einzelbewerbern bezweifelt werden. Oder wie ein Bürger süffisant bemerkte: Man müsste für die Zulassung zur OB-Kandidatur eine Mindestqualifikation einführen, schließlich darf auch keiner Brötchen backen, der nicht Bäcker gelernt hat. Wenigstens SPD, CDU und Linke schicken keine politischen Newcomer ins Rennen. Frank Scheurell (CDU) ist seit 18 Jahren im Stadtrat und seit sechs Jahren Mitglied des Landtages.

Stabilität & Kontinuität

„Sie können von mir Stabilität und Kontinuität erwarten“, versprach der Bauingenieur, „ich baue auf Sie, die Bürgerschaft, Sie sind das Kapital, welches diese Stadt ausmacht.“ Scheurell lobte das bürgerschaftliche Engagement in Kultur und Sport, in den vielen sozialen Vereinen und den freiwilligen Feuerwehren, ohne das die Stadtgesellschaft viel ärmer wäre. In allen Fragen der Wirtschaft sowie des Ausbaus der Infrastruktur sei die CDU ein verlässlicher Partner, dies beweise das Engagement für weitere Ansiedlungen am Industriestandort Piesteritz.

„Auch die Wittenberger Schlamm- und Sandpisten müssen endlich weg“, spielte Scheurell auf die etwa 60 Kilometer unbefestigter innerörtlicher „Straßen“ an. Den Stadtumbau Ost und die damit verbundenen IBA-Projekte bezeichnete Scheurell als Erfolgsgeschichte: „Hier werden Projekte vorangetrieben, die mit Leben erfüllt sind und von denen alle Bürger profitieren.“ In den vergangenen sechs Jahren im Landtag habe er sich für die Wittenberger IBA-Projekte stark gemacht, unter anderem für die Bereitstellung der Fördermittel zur Sanierung der Gagfah-Siedlung gesorgt. Was zähle, sei hartnäckige Sacharbeit und diese wolle er einsetzen, damit auch Luther-Dekade und Reformationsjubiläum eine Erfolgsgeschichte werden. „Wir müssen uns als Stadt im globalen Wettbewerb behaupten und dass wir große Chancen haben, dabei gut abzuschneiden, liegt in der reichen Geschichte unserer Stadt begründet“, erklärte Scheurell. Ob Vorkommnisse auf Schlosswiese oder Marktplatz sowie vermüllte Dreckecken in der Stadt: Er sei für Bürger, die Fragen oder Probleme haben, jederzeit telefonisch erreichbar, auch wenn die Ämter bereits geschlossen hätten. Seine Erkenntnis aus vielen Vor-Ort-Gesprächen mit Bürgern sei eindeutig: „Wir brauchen keine so genannten Toleranzplätze, Toleranz ja, aber keinen Freibrief für Chaos und Randale!“

Mit Herz & Verstand

Dass die Bürger das wichtigste Potenzial der Stadt darstellten, bekräftigte auch Horst Dübner (Linke), seit 1990 im Stadtrat und sieben Jahre Geschäftsführer des Modellprojektes „Wohnungen durch Selbsthilfe“. Der gelernte Elektromaschinenbauer und Diplom-Gesellschaftswissenschaftler will mehr Möglichkeiten schaffen, dass sich Bürger in die Stadtpolitik einbringen könnten: Bei Bauvorhaben, in der Vereinsförderung und bei der Vergabe öffentlicher Mittel. „Ich bin kein Parteisoldat, für mich haben Bürgerinteressen absoluten Vorrang“, betonte Dübner. Er schätze die Wittenberger als Menschen, die mit Herz und Verstand Probleme anpackten. Auf Grund seiner Zusammenarbeit mit den Bürgerinitiativen Dessauer Straße, Pro Piesteritz und dem Schutzbündnis „Rettet den Wald“ wisse er zum einen, wo die Menschen der Schuh drückt, zum anderen habe er viele wichtige Anregungen für die Kommunalpolitik erhalten.

„Die enge Zusammenarbeit der Stadt mit Industrie, Handwerk, Handel und Gewerbe hat oberste Priorität, nur gemeinsam können wir die Grundlagen für mehr Arbeitsplätze und Lehrstellen schaffen“, sagte Dübner. Die kommunalen Betriebe will er stärken, einen Verkauf von Tafelsilber nicht zulassen. Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge sollen lokale Betriebe besser eingebunden werden. Die Stärkung des Industriestandortes Piesteritz steht ebenso auf Dübners Agenda wie die Ansiedlung erneuerbarer Energien im Gewerbegebiet Pratau, wobei ein in die Zukunft weisender Mix angestrebt wird. Die Nordumfahrung sei alternativlos und habe höchste Priorität: „Die Degradierung der Nordumfahrung von einer Bundesstraße zu einer kommunalen Straße ist mit mir nicht zu machen.“ Kritik gab es am Holzkraftwerk: Die Probleme beim Holzeinsatz, der Bewältigung des Lkw-Verkehrs sowie des Feinstaubes seien ungelöst. Für die Luther-Dekade und das Reformationsjubiläum will Dübner auch nichtreligiöse Bürger gewinnen: „Dazu dürfen wir nicht nur Luther-Vorzeigeprojekte entwickeln, sondern müssen die gesamte Stadtentwicklung im Blick haben.“ Wittenberg müsse sich zu einem überregionalen Kultur- und Tourismuszentrum entwickeln, zu einer „Wohlfühlstadt“, in der auch die Jugend ihren Platz habe.

Sicherheit & Toleranz

„Seit 1990 erleben wir eine Stadtentwicklung unter dem Dach des Grundgesetzes mit kommunaler Selbstverwaltung und gewählten Akteuren“, erinnerte Oberbürgermeister Eckhard Naumann, der seit der Wende ohne Unterbrechung Stadtoberhaupt ist. „Wir verzeichnen seitdem eine Dynamik, wie sie unsere Stadt so nie erlebt hat, und diese Dynamik trägt auch meine Handschrift.“ Diese spiegele sich unter anderem in der Altstadt-Sanierung, der Sanierung der Werkssiedlung Piesteritz, der Sanierung der Gagfah-Siedlung und der GUS-Konversion wider, aber auch in der Ansiedlung wissenschaftlicher Institutionen wie der Stiftung Leucorea und dem Wittenberg Zentrum für Globale Ethik. Bei den Gewerbeanmeldungen und -abmeldungen gebe es einen positiven Saldo, die Arbeitslosenquote sinke bei gleichzeitig steigenden Einnahmen aus der Gewerbesteuer.

„In der Stadt gibt es ein gesundes und lebendiges Vereinsleben, Vereine sind der Kitt unserer Stadtgesellschaft“, erklärte Naumann. „Die Vereinsförderung ist und bleibt wichtig, viele Vereine, das beweist das Stadtfest ‚Luthers Hochzeit’, sind ein Aushängeschild Wittenbergs.“ Die Hochwasser-Katastrophe und der Orkan „Kyrill“ hätten eindrucksvoll gezeigt, dass die Menschen Notsituationen solidarisch durchstehen: „Diese Solidarität müssen wir uns erhalten.“ Die Stadt brauche das Miteinander von Jung und Alt, Parteien und Bürgerinitiativen, Vereine und Institutionen, die sich für andere engagieren. „Wir brauchen Integration statt Ausgrenzung, denn wir werden auch daran gemessen, wie wir mit Randgruppen umgehen“, so Naumann. „Sicherheit und Toleranz, Pflicht und Freiheit gehören in einer demokratischen Grundordnung untrennbar zusammen.“ Die Entwicklung der Stadt bedürfe auch künftig kommunalpolitischer Erfahrung und Kontinuität. Das Bemühen um weitere Ansiedlungen von Industrie und Gewerbe, sei ebenso wichtig, wie der weitere Ausbau der Infrastruktur, einschließlich der Realisierung der Nordumfahrung. Besondere Chancen ergeben sich aus dem Reformationsjubiläum, insbesondere für den Tourismus, der für Wittenberg ein immer wichtigerer Wirtschaftsfaktor werde. „2017 bietet eine einmalige Gelegenheit, eben weil es keine Veranstaltung einer einzelnen kleinen Gruppe, sondern von uns allen für uns alle ist“, hob der OB hervor.