II. Soziale Gerechtigkeit und Zusammenhalt

Wir stehen ein für ein gesellschaftliches Miteinander, das Individualität, Vielfalt und Solidarität wertschätzt. Wir streiten für die selbstverständliche Einbeziehung von Unterschiedlichkeit, für eine inklusive Bildungskultur. Inklusion beinhaltet nicht nur den Abbau von Barrieren für Menschen mit Behinderungen, sondern demokratische Teilhabe für alle. Der Umbau vieler sozialer Hilfesysteme vom Sonderstatus hin zu gemeinsamen Angeboten bleibt für uns in allen Politikbereichen ein entscheidendes Leitbild, an dem wir unsere sozialpolitischen Vorhaben messen lassen wollen.

Familien fördern, Alleinerziehende stärken, Armut bekämpfen

Noch immer ist Sachsen-Anhalt ein Land, in dem viele Menschen von Armut betroffen und damit von sozialer Teilhabe ausgeschlossen sind. Verfestigte Arbeitslosigkeit ist ein besonderes Problem, über die Hälfte der Erwerbslosen sind bereits länger als vier Jahre auf ALG II angewiesen. Alleinerziehende haben es besonders schwer, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Beinahe ein Drittel der Kinder und Jugendlichen in Sachsen-Anhalt sind gemeinsam mit ihren Familien von Armut gefährdet, mehr als ein Viertel dieser Kinder müssen von Hartz IV leben. Darüber darf man nicht schweigen. Die Sozialberichterstattung des Landes wollen wir so gestalten, dass mit Hilfe belastbarer und vergleichbarer Daten über mehrere Jahre hinweg Entwicklungen und Ausmaß von Armut und Ausgrenzung offengelegt werden. Das soll mit vielfältigen Maßnahmen und Vorschlägen zur Bekämpfung von Armut und ihrer Folgen mit den politischen Mitteln und Möglichkeiten aller Ressorts verbunden werden. 

Ein Schlüssel für die Bekämpfung von Kinderarmut liegt in der Beseitigung der Armut von Eltern. Auch aus der Landespolitik heraus werden wir uns für eine restriktionsfreie und armutsfeste Grundsicherung einsetzen. Im Land werden wir dafür eintreten, dass alle Unterstützungs- und Hilfssysteme darauf ausgerichtet werden, die Folgen von Armut zu bekämpfen und Ausgrenzung abzubauen. Eine besondere Bedeutung kommt dabei den Angeboten und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, insbesondere den Kindertagesstätten, und den Schulen zu.

Dazu gehört für uns, am Recht auf einen Ganztagsanspruch in der Kita – auch für Kinder erwerbsloser Eltern – festzuhalten. Wir wollen allen Kindern das gemeinsame Lernen in den Regelschulen ermöglichen. Der Ausbau von Ganztagsschulen ist für uns ein Schlüssel, allen Kindern eine selbstbestimmte und angebotsreiche Entwicklung zu ermöglichen.

Der Zugang zu frühkindlicher Bildung stellt entscheidende Weichen für den Bildungserfolg von Kindern. Auch für die Vereinbarkeit von Elternschaft und beruflicher Verwirklichung ist er ein wichtiger Baustein. Die notwendig wachsenden Ausgaben für die Kinderbetreuung können von den Eltern nicht allein bewältigt werden. Wir wollen verhindern, sie unangemessen hoch an den Kosten zu beteiligen. 

Kinder- und Jugendpolitik, die auf Teilhabe und Bildung setzt

Das Land fördert in vielfältiger Weise Angebote der Kinder- und Jugendarbeit – sowohl in den Regionen als auch landesweit. Die pauschale Förderung durch das Fachkräfteprogramm und die Jugendpauschale wollen wir auch in den nächsten Jahren verlässlich und auf stabilem Niveau sichern. Die außerschulische Jugendbildung als Form der demokratischen Teilhabe wollen wir weiter stärken. Träger der Jugendarbeit sollen langfristig planen können. Daher müssen Fördermittelbescheide endlich fristgerecht ergehen.

Die Vertretungen der Kinder- und Jugendverbände – insbesondere der Kinder- und Jugendring – sind für uns wichtige Partner bei der Gestaltung von Politik in Sachsen-Anhalt. Junge Menschen können in Jugendverbänden Erfahrungen sammeln, sich ausprobieren und fürs Leben lernen. Sie bestimmen Richtung, Angebot und Inhalt der verbandlichen Arbeit. Die Jugendverbandsarbeit ist damit wichtiger Identifikations- und Haltefaktor für viele Heranwachsende im Land und demokratisches Lernfeld. Jugendverbände müssen daher gefördert und in demokratischen Entscheidungsprozessen gehört werden.

Ein Schwerpunkt für uns ist es, vor allem Kinder und Jugendliche an politischen Prozessen teilhaben und mitentscheiden zu lassen. Wir setzen uns deshalb dafür ein, die Teilnahme an Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden ebenso wie das aktive Wählen zu den Landtagswahlen bereits im Alter von 14Jahren zu ermöglichen. Die Schule als Ort demokratischen Lernens muss Kindern und Jugendlichen echte Mitentscheidungsmöglichkeiten einräumen, um Erfahrungen mit der Übernahme von Verantwortung sammeln zu können. Wir setzen uns dafür ein, dass sich mehr Schulen für eine Drittelparität in der Gesamtkonferenz entscheiden. Außerdem wollen wir Projekte unterstützen, die demokratische Mitbestimmung von Schülerinnen und Schülern erlebbar machen.

Der Zugang zu kulturellen Einrichtungen gestaltet sich vor allem in den ländlichen Räumen für Kinder und Jugendliche schwieriger als in den größeren Städten. Mit den erzielten finanziellen Mitteln aus unserem Kulturfördergesetz wollen wir vor allem den Zugang von Kindern und Jugendlichen zu Einrichtungen der kulturellen Bildung – darunter Musikschulen und Bibliotheken – verbessern.

Soziale Beratung – regional ausgewogen und gut erreichbar

Für Menschen in sozialen Not- oder Entscheidungssituationen gibt es vielfältige Beratungs- und Hilfsangebote. Dazu gehören die Schwangerschaftsberatung, Erziehungs- und Familienberatung oder die Beratung für Menschen, die in finanzielle Notlagen geraten sind. Wir treten weiter dafür ein, in Verbindung mit einer angemessenen finanziellen Beteiligung des Landes die Gestaltungskompetenz der Landkreise zu stärken – im Sinne von dezentraler Zuständigkeit, für eine bessere Nutzung von Synergieeffekten und effektive Orientierung am Bedarf vor Ort.

DIE LINKE. Sachsen-Anhalt wird sich dafür einsetzen, diese Angebote regional ausgewogen, für alle gut erreichbar zu erhalten. Soziale Probleme von Menschen sind vielschichtig miteinander verwoben. Beratungsangebote müssen dem gerecht werden durch Vernetzung und Kooperation zwischen speziellen Hilfen und auch zwischen unterschiedlichen Trägern. Unser Ziel ist es, dass sich die tarifliche Bezahlung in den Beratungsangeboten des Landes und der Kommunen an den Bedingungen des öffentlichen Dienstes orientiert. Auch die Fördermittel des Landes müssen diesem Anspruch gerecht werden.

Schutz und verlässliche Hilfe bei Gewalt

Eine wichtige Aufgabe ist die gesellschaftliche Ächtung von Gewalt. Diese kann Menschen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Herkunft, ihrer sexuellen Orientierung, ihres Alters und ihres Status auch in sozialen Verhältnissen jenseits von Krieg und Verfolgung drohen. Wir legen besonderes Augenmerk auf den Schutz von Menschen, die von Gewalt und Diskriminierung bedroht sind, und fördern entsprechende Beratungsangebote.

Frauen und Kinder sind besonders von häuslicher Gewalt bedroht. DIE LINKE. Sachsen-Anhalt wird sich dafür einsetzen, dass die Betroffenen sicher, schnell, unbürokratisch und bedarfsgerecht Schutz und qualifizierte Hilfe in einem Frauenhaus oder einer Frauenschutzwohnung erhalten können. Psychologische Betreuung, auch für Kinder, ist zu gewährleisten. Zugangs-, Beratungs- und Betreuungsmöglichkeiten für von Gewalt betroffene Frauen mit Behinderungen sind zu verbessern.

Die Finanzierung der Frauenhäuser muss langfristig gesichert werden. Das betrifft sowohl die Personal- als auch die Sachkosten einschließlich investiver Mittel mit dem Ziel einer räumlich und personell barrierefreien und guten Ausstattung der Frauenhäuser. Zahlungen für Frauenhäuser sind keine freiwilligen Leistungen, sondern Pflichtaufgaben der Kommunen im eigenen Wirkungskreis. Wir fordern eine bedarfsgerechte Anhebung der Zuweisungen im Finanzausgleichsgesetz (FAG), um dieser Aufgabe gerecht zu werden.

Barrierefreiheit – ein Gewinn für alle

Die UN-Behindertenrechtskonvention hat dem Anspruch der Barrierefreiheit eine zwingende Rechtsgrundlage gegeben. Barrierefreiheit entscheidet vielerorts über Lebensqualität für Ältere, für Jüngere, für Eltern und ihre Kinder, für Menschen mit und ohne Behinderungen. Barrierefreiheit ist ein Gewinn für alle. Sie beschränkt sich nicht auf den Zugang zu öffentlichen Einrichtungen, sondern meint ebenso Leitsysteme im Innern oder die Nutzung von vorhandenen Ressourcen auch für Menschen mit besonderen Beeinträchtigungen: Braille- und Pyramidenschrift in öffentlichen Gebäuden, Formulare in leichter Sprache, Gebärdendolmetschen wichtiger öffentlicher Ereignisse.

Sanierung und Neubau im Land müssen Schritt für Schritt zur Herstellung von Barrierefreiheit an und in öffentlichen Gebäuden genutzt werden. Das Baurecht darf keine Ausnahmen mehr zulassen. Die Standards der DIN-Verordnung 18040 sind für uns der Maßstab. Wo mit öffentlichen Mitteln gebaut wird, muss Barrierefreiheit gelten. Alle künftig aufzulegenden Programme für Neubau oder zur baulichen Sanierung müssen sich daran messen lassen. DIE LINKE. Sachsen-Anhalt will zur Unterstützung einer umfassenden und nachhaltigen Umsetzung von Barrierefreiheit eine unabhängige Fachstelle mit hauptamtlichem Personal und verlässlicher Finanzierung einrichten.

Barrierefreiheit muss auch in digitalen Angeboten gewährleistet werden. Wir werden uns daher dafür einsetzen, dass die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) konsequent in den Landesbehörden angewandt wird. Insbesondere sollen Websites der Landesregierung an geltende Standards der Barrierefreiheit angepasst werden.

Menschen mit Behinderungen brauchen Nachteilsausgleich

Das Sozialgesetzbuch ebenso wie die Gesetze des Landes sehen vielfältige Formen des Nachteilsausgleiches vor. Das Blindengeldgesetz ist für uns keine Quelle zur Haushaltssanierung, sondern ermöglicht den Ausgleich für Mehraufwand und Benachteiligung. Mit den Mitteln der Eingliederungshilfe wollen wir stärker individuell passgerechte Lösungen schaffen, die selbstbestimmtes Wohnen und Arbeiten auch für Menschen mit hohem Assistenzbedarf ermöglichen. Die Werkstätten für Menschen mit Behinderungen sind für uns auch in Zukunft ein starkes Angebot, um eine sinnvolle Erwerbstätigkeit für Menschen mit geistiger Behinderung anzubieten. Dennoch werden wir uns stark machen, um immer mehr Beschäftigten aus den Werkstätten Arbeitsplätze in Unternehmen – darunter auch in Integrationsbetrieben – zu ermöglichen. Eine rückläufige öffentliche Förderung integrativ arbeitender Unternehmen darf nicht deren Wirtschaftskraft gefährden. Hier müssen Integrationsbestrebungen mit Hilfe des Persönlichen Budgets mehr eingesetzt und auch die Firmen in ihrem Engagement intensiv unterstützt werden. 

DIE LINKE. Sachsen-Anhalt hält einen neuen Rahmenvertrag mit den Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege im Rahmen der Eingliederungshilfe für erforderlich. Die bestehenden Leistungstypen sind überaltert und müssen der Prämisse »ambulant vor stationär« sowie den Maßgaben der UN-Behindertenrechtskonvention, insbesondere Artikel 19 zur freien Wahl der Wohnform, angepasst werden.

An das zu erwartende Bundesleistungsgesetz für Menschen mit Behinderungen richten wir die Forderung, die Eingliederungshilfe künftig als einkommensunabhängigen Nachteilsausgleich zu gestalten. Denn Menschen mit Behinderungen dürfen nicht auf ewig für ein gutes Einkommen mit Leistungsabzug bestraft werden.

DIE LINKE. Sachsen-Anhalt setzt sich ein für den Ausbau des Integrationsfachdienstes mit Angeboten einer umfassenden Inklusionsbegleitung im ersten Arbeitsmarkt. Vor allem kleine und mittelständische Betriebe sollen beraten werden über die Fördermöglichkeiten bei der Ausbildung von Menschen mit Behinderung sowie über Hilfen beim Abbau von Barrieren in den Ausbildungsstätten. Wir wollen möglichst vielen Menschen mit Behinderungen eine an ihren Fähigkeiten orientierte Teilhabe am ersten Arbeitsmarkt ermöglichen. Der öffentliche Dienst muss hierbei weiterhin eine Vorreiterrolle einnehmen.  

Engagement und Kompetenzen von Seniorinnen und Senioren nutzen

In einer älter werdenden Gesellschaft erheben Seniorinnen und Seniorenzu Recht Anspruch auf stärkere Teilhabe. Sie wollen auch in dieser Lebensphase nach ihrerLebenserfahrung und Kompetenz gefragt werden. Ihr Rat und ihr Engagement sind ein Gewinn, den wir für das Gemeinwesen stärker nutzbar machen wollen. Wir wollen die Mitwirkungsrechte von Seniorinnen und Senioren auf der jeweiligen Ebene konkreter ausgestalten und dazu ein Seniorenmitwirkungsgesetz initiieren, das die Rechte von Seniorinnen und Senioren auf der Landesebene regelt.

Wir fordern ein Umsteuern in der Rentenpolitik des Bundes, die Rente muss wieder den Lebensstandard im Alter absichern können. Der Rentenwert in Ostdeutschland soll an das Niveau in Westdeutschland angeglichen werden.

Präambel

I. Gleichwertige Lebensverhältnisse und Daseinsvorsorge sichern 

II. Soziale Gerechtigkeit und Zusammenhalt 

III. Wirtschaft, gute Arbeit, Nachhaltigkeit

IV. Kultur, Bildung, Wissensgesellschaft

V. Demokratie leben

VI. Finanz- und Europapolitik